LA025 Der Graph des Begehrens Teil 1

Der Graph des Begehrens vereint viele Begriffe der Theorie Lacans und setzt sie miteinander in Beziehung. Heute widmen wir uns den beiden ersten Phasen dieses Graphens, die das untere und damit das bewusste Stockwerk darstellen:

Zum Weiterlesen:

Jacques Lacan: Das Begehren des Anderen. In: Ders.: Die Bildungen des Unbewussten. Das Seminar, Buch V (1957/58). Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2006, Sitzung vom 14. Mai 1958, S. 455-475

Jacques Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, zur unteren Etage des Graphen: S. 340–345

Rolf Nemitz: Ich – Ideal-Ich – Ichideal: der Zauberspiegel. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 4. November 2013

2 Gedanken zu „LA025 Der Graph des Begehrens Teil 1

  1. Hallo liebe Betreiber des Lacast!

    Ich habe vor ca. einem Jahr begonnen, mich mit der Theorie von
    Jacques Lacan näher auseinanderzusetzen, Bücher darüber zu lesen,
    Videos dazu auf YouTube zu schauen, alles, um den faszinierenden
    Denker etwas besser zu verstehen, auf den ich durch Slavoj Zizek
    aufmerksam und neugierig wurde.

    Über YouTube bin ich auf ihren Podcast aufmerksam geworden, der
    mir wie gerufen kam, der mir schon sehr viel weitergeholfen hat und
    den ich innerhalb zweier Wochen komplett durchgehört habe.

    Obwohl ich mich längst damit abgefunden habe, dass es mir wohl nie
    gelingen wird, jemals Herrn Lacans verzwickte Gedanken in alle Winkel
    und Ecken nachvollziehen zu können, habe ich doch noch eine Frage,
    für die ich gerne noch eine Antwort hätte, zumal einem der Begriff
    überall wieder begegnet, sobald nur der Name Lacan fällt. Es
    handelt sich um das berühmte „objet a“, das Objekt klein a.

    Mir scheint, welches Buch ich auch lese, welchem Vortragenden ich auch
    lausche, ständig wird der Begriff in zwei, wohl verwandten, aber doch
    unterschiedlichen, das heißt leider auch relativ unverträglichen Bedeutungen
    verwendet.

    Einmal scheint es sich bei den „Objekten klein a“ um eine überschaubar kleine
    Menge von (mentalen) Objekten zu handeln, namentlich

    Brust, Stuhl, Phallus [organisch], Phonem, Blick und Stimme.

    (Die ersten drei stammen von Freud, die anderen wurden von Lacan ergänzt.)
    Sie alle repräsentieren offenbar einen Mangel innerhalb der Psyche und scheinen
    so etwas wie eine Form, eine Lücke darzustellen, die das Individuum später
    ein Leben lang (vermeintlich und letztendlich vergebens, wenn auch nicht ganz
    ohne Genuß) auszufüllen sucht.

    Dann aber finde ich immer wieder die zuletzt angedeuteten, real-existierenden Objekte, die den Mangel ergänzen sollen, als „Objekt a“ bezeichnet. Beliebte Beispiele, deren es aber wohl unzählige gibt, sind die

    Kleidungsstücke, Haare, Füße, Klang der Stimme, Glanz der Nase, etc.,

    die den Fetischisten die Befriedigung ihrer Lust ermöglichen.

    Ja, was denn jetzt? Ist das Objet a die Form, oder der Inhalt? Ist es
    der intra-psychische Mangel, oder das real-existierende „Ersatzobjekt“,
    das den Mangel aufheben soll? Ist es etwas ganz Abstraktes, Mentales, oder ein konkretes Detail, das man anfassen, beschauen, beschnuppern usw. kann?

    Oder ist meine Frage falsch gestellt?

    Ich möchte die Frage gerne noch anhand eines Beispiels aus der
    (Pop)Kultur, aus Game Of Thrones, konkretisieren. Vielleicht fällt dann auch die
    Antwort leichter. Ist der Eiserne Thron das Objet a für Daenerys Stormborn of House Targaryen, oder ist er (nur) das Ersatzobjekt für ihr Objet a? Für die letztere Interpretation würde immerhin sprechen, – SPOILER -, dass sie ihn im selben Moment aufgibt, da er ihr gehört (nämlich als die Glocken läuten). Hm…

    Für eine Antwort wäre ich ihnen beiden sehr dankbar!

    Viele Grüße aus der Nähe von Frankfurt am Main

    Ihr 0xGeek

    P.S. Das beste einführende Buch zu Lacan, das ich bisher gefunden habe,
    ist „Lacan – A Beginner’s Guide“ von Lionel Bailly. Den Meister selbst
    zu lesen ist echt hardcore schwer. Daher ist ihre Arbeit aber nur umso wertvoller! Danke!

  2. RE: objet a

    Hallo sehr verehrte Betreiber des Lacast,

    ich ziehe meine Frage aus dem vorherigen Kommentar zurück.
    (Leider kann ich letzteren nicht einfach wieder löschen.)

    Ich habe nochmal nachgelesen und auch bei ihnen nachgehört, und
    ganz klar handelt es sich beim objet a um die sechs generellen
    psychischen Mängel, die die Kastration hinterlassen kann: die Sehnsucht
    nach etwas oralem, analem, phallischen, Stimme, Blick, Phonem.
    So verwenden schließlich auch sie diesen Begriff…

    Vielleicht darf ich zum Spaß noch mal auf Daenerys eingehen.
    [SPOILER] Der Iron Thone ist bei ihr, wie mir jetzt scheint, also das
    real-weltliche Ersatzobjekt für ihr eigentliches objet a, bei
    dem es sich wohl um etwas anales handeln wird, etwas das mit
    einem Wunsch nach Macht, nach Kontrolle einhergeht. Dieses Begehren,
    das man in ihr übrigens von Anfang an beobachten kann, wurde außerdem durch ihre fast schon rassistisch zu nennende Erziehung, vor allem durch ihren schwachen Bruder, der selbst der Herrscherrolle nicht gewachsen war, noch verstärkt. Als Danny dann später ihr vermeintliches Ziel erreicht und den Eisernen
    Thron erobert, verschiebt sich ihr wahnsinniges Begehren in einem Moment des Wahnsinns sogleich auf etwas neues, die Eroberung der Rest der Welt, damit ihr Begehren selbst nicht verloren geht. Tyrion hatte also recht, sie würde
    immer so weitermachen, auf jeder Jagd nach ihrem objet a, und Jon musste tun, was er tun musste.

    Würden sie dieser Interpretation zustimmen?

    Viele Grüße und nichts für ungut

    0xGeek

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